Bürgerentscheid CityBahn Wiesbaden – Website der Bürgerinitiative Mitbestimmung Citybahn

Mitbestimmung

 

Warum Mitbestimmung?

Wenn bei einem derartig drastischen Eingriff in das Stadtbild, in die Verkehrsstruktur, in den Individualverkehr und in die Stadtkasse, mit langfristigen Folgen für die nächsten Generationen, kein Grund für eine echte Bürgerbeteiligung besteht, WANN DANN ?

Entgegen den Beteuerungen und den Aussagen des ehemaligen Oberbürgermeisters Sven Gerich und der Rathauskooperation (Bündnis 90/Die Grünen, SPD & CDU) war eine echte Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bei dem Vorhaben Citybahn grundsätzlich nie vorgesehen. Die angepriesene Bürgerbeteiligung beschränkte sich darauf, interessierte Wiesbadener lediglich bei der Frage des WIE einzubeziehen, etwa im Rahmen von Infomessen und einer Dialog-Box. Zum Beispiel darüber, wo exakt Haltestellen eingerichtet werden. Zum Streckenverlauf konnten nur „Anregungen“ u.ä. vorgebracht werden. Selbst beim WIE behielten die Rathauskooperation, die CityBahn GmbH und die Planer lieber das letzte Wort. Echte Bürgerbeteiligung sieht auch beim WIE eines solchen Großprojekts anders aus.

Entscheidend für eine echte Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger wäre es, ob man sie grundsätzlich zum OB einer Citybahn befragt.  Eine solche Mitbestimmung war jedoch nie im Fahrplan des ehemaligen Oberbürgermeisters Sven Gerich (SPD), der Rathauskooperation (Bündnis 90/Die Grünen, CDU & SPD) oder ESWE Verkehr bzw. der CityBahn GmbH enthalten! Die kurzeitige und anfängliche Hinzuziehung von willkürlich ausgewählten „Akteuren“ und deren Mitwirkung in einer „Akteurswerkstatt“ (2017) stellte keine Bürgerbeteiligung dar. Genauso wenig konnten ein Online-Portal oder „Infomessen“ eine echte Mitbestimmung bedeuten, denn auch dort ging es nicht um ein Ja oder Nein zur Citybahn. Diese Veranstaltungen stellten keine sachgerechte Bürgerbeteiligung und noch nicht einmal eine ausreichende Information über das Projekt dar, sie waren im Prinzip lediglich reine und teuer bezahlte Werbemaßnahmen im Rahmen der „Kommunikation“ zur Citybahn.

Dieses Vorgehen in der „Kommunikation“ widersprach zahlreichen Wahlversprechen (2013) unseres ehemaligen Oberbürgermeisters Sven Gerich, der sich ausdrücklich für eine stärkere Bürgerbeteiligung ausgesprochen und oftmals angekündigt hatte: „keine Entscheidungen im Hinterzimmer“. Da wir Bürgerinnen und Bürger aber Gesamtinvestitionen für eine Citybahn von ca. einer halben Milliarde € einhergehend mit gravierenden Eingriffen in das Stadtbild, den ÖPNV, den Individualverkehr (mit direkten Folgen für den Einzelhandel, die Wirtschaft, das Handwerk und die Anwohner) sowie die langfristigen finanziellen Folgen (Fehlbeträge bei den laufenden Betriebskosten nach Inbetriebnahme) zur Diskussion stellen, kritisch hinterfragen und über all dies mitbestimmen wollten, mussten wir selbst handeln und durften die weiteren Entscheidungen zur Realisierung der Citybahn nicht dieser Rathauskooperation überlassen!

In einem ersten Schritt hatten wir daher am 05.02.2018 eine Online-Petition gestartet, mit dem Appell an die Stadtverordneten, den Bürgerinnen und Bürgern eine Mitbestimmung dadurch zu gewähren, dass über ein sogenanntes Vertreterbegehren (§ 8b HGO) ein Bürgerentscheid über das OB einer Citybahn mit einer Entscheidung an der Wahlurne herbeigeführt wird. Von den Stadtverordneten gingen leider nur 10 Stellungnahmen bei openPetition ein, 47 Stadtverordnete antworteten gar nicht und 24 Stadtverordnete waren via E-Mail offenbar nicht erreichbar. Die Online-Petition endete erfolglos am 20.07.2018, auch wenn verschiedene Parteivertreter von CDU und SPD sich für einen Bürgerentscheid nunmehr öffentlich aussprachen. Noch vor dem Ende der Online-Petition, d.h. in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 07.07.2018 wurde über ein Vertreterbegehren auch debattiert, die weitere Debatte und Entscheidung jedoch vertagt auf den Zeitpunkt der Beendigung der Entwurfsplanung. Man meinte es in der Stadtverordnetenversammlung also offensichtlich eben doch nicht ernst mit einer echten Mitbestimmung und dachte, die Bürgerinnen und Bürger schlicht vertrösten zu können, während in der Zwischenzeit die Entwurfsplanung für die Citybahn einfach fortgeführt und abgeschlossen werden sollte.

Diese Handhabung der Mitbestimmung durch die Stadtverordnetenversammlungen sowie eine Aussage des Vorsitzenden der CDU-Rathausfraktion Bernhard Lorenz Ende August 2018, er halte einen Bürgerentscheid über die Citybahn politisch nicht für sinnvoll und rechtlich für unzulässig, konnten wir nicht auf sich beruhen lassen, weshalb unsere Bürgerinitiative im Januar 2019 ein Bürgerbegehren zur Erzwingung eines Bürgerentscheid gestartet hat. Binnen 7 Wochen konnten immerhin rund 10.000 Unterschriften allein von unserer Bürgerinitiative gesammelt werden, die am 18. März 2019 abgegeben wurden. Das notwendige Quorum für einen Bürgerentscheid von 6.227 gültigen Unterschriften wurde auch deutlich um 2.760 Unterschriften überschritten. Doch wer jetzt glaubte, es könne eine Mitbestimmung über die Citybahn an der Wahlurne durch einen via Bürgerbeghren erzwungenen Bürgerentscheid geben, musste sich eines Besseren belehren lassen. In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 23.05.2019 wurde unser Bürgerbegehren von den Abgeordneten der Rathauskooperation, nach unserer Auffassung nicht aus rechtlichen, sondern aus politisch-taktischen Gründen, als unzulässig erklärt. Das Rechtsamt hatte nämlich zuvor nach einer rechtlichen Überprüfung geurteilt, es sei vertretbar, die Fragestellung und die Begründung des Bürgerbegehrens unserer Bürgerinitiative als zulässig einzustufen. Unsere Bürgerinitiative hat u.a. deshalb anschließend gegen die Ablehnung unseres Bürgerbegehrens Klage zum Verwaltungsgericht Wiesbaden eingereicht.

In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 23.05.2019 war mit der Mehrheit der Stimmen der Rathauskooperation allerdings zumindest auch beschlossen worden, einen Bürgerentscheid nun doch über ein sogenanntes Vertreterbegehren ermöglichen zu wollen. Die endgültige Abstimmung über ein solches Vertreterbegehren solle spätestens im Juni 2020 stattfinden. Die Zulässigkeit des Vertreterbegehrens und die Formulierung der Fragestellung für den Bürgerentscheid solle der Hessische Städtetag prüfen.

Im Frühjahr 2020 wurde der Formulierungsvorschlag des Hessischen Städtetags bekannt und zurecht sogleich kritisiert. Im Mai/Juni 2020 einigten sich die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Wege eines internen Kompromisses auf eine etwas andere Formulierung für den  durchzuführenden Bürgerentscheid, die dann nach mehreren Anläufen mit Unterstützung der CDU-Fraktion in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 02.07.2020 mit 2/3-Mehrheit als Vertreterbegehren beschlossen wurde. Auch wenn wir grundsätzlich die Durchführung eines Bürgerentscheids am 01.11.2020 begrüßen, sind wir über die beschlossene Fragestellung für den Urnengang nicht nur enttäuscht, sondern wir fühlen uns mit unserem Anliegen veralbert. Die bewusst kompliziert formulierte Fragestellung hat eindeutig manipulativen Charakter und soll offensichtlich dazu dienen, allen Kritikern der Citybahn ein schlechtes Gewissen zu verschaffen, wenn sie es wagen sollten, mit „Nein“ abzustimmen. Die Fragestellung beschränkt sich nämlich nicht auf ein klares und einfaches Ja oder Nein zur Realisierung einer Citybahn in Wiesbaden, sie lautet vielmehr:

„Soll der Verkehr in Wiesbaden, zur Vermeidung von Staus und weiteren Verkehrsbeschränkungen für den Autoverkehr, durch eine leistungsfähige Straßenbahn (Citybahn) von Mainz kommend über die Wiesbadener Innenstadt bis Bad Schwalbach weiterentwickelt werden, um Verkehrszuwächse aufzufangen und Umweltbelastungen (Luftverschmutzung, Lärmbelastung) zu verringern?“

Helfen Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger der Landeshauptstadt Wiesbaden, mit, dass bis zum 01.11.2020 die Diskussionen über das Für und Wider der Citybahn nicht mit teils äußerst fragwürdigen, teils aber auch mit falschen Zahlen und Aussagen geführt werden. Machen Sie sich ein eigenes Bild. Prüfen Sie die von den Befürwortern behaupteten angeblichen Notwendigkeiten und Vorteile der CityBahn kritisch. Bedenken Sie vor allen Dingen auch die kurz- und langfristigen Folgen einer Citybahn für unsere Stadtgesellschaft.

Wir sind der Meinung, eine Citybahn wird in Wiesbaden nicht benötigt, sie würde vielmehr umgekehrt zahlreiche und sogar gravieren Nachteile mit sich bringen, welche später nicht einfach mehr revidiert werden könnten.

Stimmen Sie daher am 01.11.2020 beim Bürgerentscheid mit NEIN.

Übrigens:

Natürlich gibt es viele Kommunen, in denen ab Ende des 19. Jahrhunderts Straßenbahnen eingeführt und bis heute erhalten und sogar ausgebaut wurden. Und selbstverständlich wurden in vielen Städten die Straßenbahnlinien aus verschiedensten Gründen ausgedünnt oder, u.a. in Wiesbaden, völlig abgeschafft und durch Busse ersetzt. Klar ist schließlich, dass vielerorts Diskussionen im Gange sind, alte Schienensysteme zu erweitern, zu reaktivieren oder gar neue Straßen- oder Stadtbahnen zu bauen. Es ist jedoch keineswegs so, dass eine Straßen- oder Stadtbahn stets gutgeheißen wird oder überall sinnvoll zu betreiben wäre. Vielmehr gibt es zahlreiche aktuelle Beispiele für Teil-Stilllegungen oder gescheiterte Stadtbahnprojekte. Vor allen Dingen gibt es viele Kommunen, in denen die Bürger über das OB für den Bau oder die Erweiterung einer Stadtbahn abstimmen durften und sich dagegen ausgesprochen haben.

Hier eine Übersicht von Teil-Stilllegungen und gescheiterten Stadtbahn-Projekten aus anderen Städten:

Aachen

Wiedereinführung bzw. Neubau einer Stadtbahn als „Campusbahn“;  Abstimmung des Stadtrates für das Projekt am 19. Dezember 2012 und Ratsbürgerentscheid von den Bürgern der Stadt Aachen am 10. März 2013: Ergebnis: 66,34 % der Bürger stimmten mit Nein.

Bielefeld

Erweiterung der bestehenden Stadtbahn um eine neue Linie 5 bei Baukosten von 220 Mio. € und einem Investitionszuschuss von 156 Mio. €; in einem Bürgerentscheid mit 53,4 % abgelehnt.

Braunschweig / Salzgitter / Wolfenbüttel

Kombinierte RegioStadtbahn nach Vorbild Kassel, Karlsruhe und Saarbrücken mit geschätzten Kosten von € 400 Mio; nach 12 Jahren Planung gescheitert im Oktober 2010 an einer neuer Kosten-Nutzen-Analyse mit Wert 0,8 statt des anfangs berechneten Werts von 1,4, so dass keine Förderung durch Bund mehr möglich.

Bremen

Höhere Baukosten als geplant und weniger Fahrgäste als erhofft für die umstrittene aber dann doch gebaute Verlängerung der Bremer Straßenbahnlinie 4 ins niedersächsische Lilienthal führten zu massiver Kritik wegen Steuerverschwendung und einem Eintrag in das so genannte Schwarzbuch der Steuerzahler 2017/2018. Der Senat der Hansestadt Bremen legte nun die Pläne zur Verlängerung der Straßenbahnlinien 1 und 8 auf Eis.

Dortmund/Hagen/Lüdenscheid

Straßenbahn war 1976 stillgelegt worden, danach Planungen für RegioStadtbahn wie Karlsruher Model; Projekt 1997 eingestellt, da keine politische Einigkeit; seitdem Stillstand aller Planungen.

Flensburg

Planungen für die Reaktivierung der Hafenbahn von Flensburger Stadtentwicklungsabteilung in 2013 abgelehnt.

Hamburg

Planungen für eine Stadtbahn Hamburg während Planfeststellungsverfahren in 2010 zunächst gestoppt und sodann durch OB Olaf Scholz in 2011 endgültig zugunsten einer Ausweitung der Busflotte aufgegeben.

Hanau

Städtischer Beschluss gegen die Realisierung einer Stadtbahn im Jahr 2004 aus Kostengründen.

Kiel

Planungen einer kombinierten RegioStadtbahn seit 2008 bei geschätzten Kosten von 380 Mio € und mind. 60 % Förderung durch Bund; nach Streit über die Verteilung der Kosten lehnte eine beteiligte Kommune (Kreis Rendsburg-Eckernförde) eine Beteiligung am Projekt ab; seit Januar 2016 Beschluss zur Aufnahme von Planungen für eine reine Stadtbahn in Kiel, aber offenbar keine Aktivitäten, sondern Stillstand seit 19 Monaten.

Ludwigshafen

Einstellung der Staßenbahnlinie 12 aus wirtschaftlichen Gründen in 2008.

Marburg

Forderungen nach einer Stadtbahn seit Ende der 90er Jahre blieben bisher stets ohne politische Mehrheiten. Seit 2015 gibt es wieder Diskussionen, aber eine aktuelle (standardisierte) Nutzen-Kosten-Untersuchung bescheinigt der geplanten Strecke vom Südbahnhof zu den Lahnbergen sogar einen negativen gesamtwirtschaftlichen Nutzen, womit sie durch Bund und Land nicht gefördert werden könnte. Mit diesem Ergebnis möchten sich der Marburger OB und die Stadtwerke aber nicht zufrieden geben und wollen für ein weiteres Wirtschaftlichkeitsgutachten weitere Gelder freigeben lassen. Scheinbar ist dem Marburger OB und den Stadtwerken unbekannt, dass ein Platzkilometer in einer Straßenbahn bezogen auf ihren Lebenszyklus das 3-fache eines Platzkilometers in einem E-Bus kostet.

Mühlheim (Ruhr)

Seit Juli 2013 wurde wegen der hohen Unterhaltungskosten und des anstehenden Sanierungsbedarfs, für welchen es keine Investitionszuschüsse gibt, die komplette Umstellung von Straßenbahnen auf Busse diskutiert;  am 18.12.2013 Verabschiedung eines neuen Nahverkehrsplans, welcher deutliche Einschnitte bei der Straßenbahn vorsieht.

Oberhausen

Es war geplant, die bisher in Essen-Frintrop endende Linie 105 der Essener Straßenbahn nach Oberhausen zu verlängern. Das Bauvorhaben sollte bis 2018 in Betrieb gehen. Bei einem Ratsbürgerentscheid wurden diese Pläne in Oberhausen jedoch am 8. März 2015 mit 57 Prozent Nein-Stimmen verworfen.

Rostock

Das bestehende Straßenbahnsystem sollte durch eine Einbindung in das Regio- und S-Bahn-System erweitert werden, die Planungen wurden aus Kostengründen aufgegeben. Laut einer Umfrage des ProBahn Fahrgastverbands vom 31.05.2016 waren 35,14 % für das Stadtbahnkonzept, 46,83 % aber dagegen.

Wir meinen, diese Beispiele sprechen für sich. Eine Straßen- oder Stadtbahn ist nicht automatisch überall sinnvoll. Man muss auch in Wiesbaden das Für und Wider betrachten.

Es ist auch keineswegs sicher, dass eine Citybahn von einer Mehrheit der Bürger/-innen gewollt wäre. Alleine die Anfang 2019 von zwei BI´s binnen sieben Wochen gesammelten rund 20.000 Unterschriften zeugen von einer unübersehbaren Kritik. Der Wiesbadener Kurier hatte im Jahr 2000 eine repräsentative Umfrage zur damaligen Stadtbahn durchführen lassen, bei der sich eine deutliche Mehrheit der Wiesbadener Bevölkerung von 41 % gegen das Projekt und nur eine Minderheit von 36 % für das Projekt ausgesprochen hatte. Nur im Umland (Taunusstein, Bad Schwalbach etc.) gab es eine Mehrheit dafür.