Stichwort Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) – Subventionswürdigkeit Citybahn, Standardisierte Bewertung, Nachprüfbarkeit
1.
Ohne Subventionen scheidet das Projekt einer Citybahn in Wiesbaden aus, d.h. sie wäre schlicht nicht zu finanzieren und sie würde auch niemals ihre eigenen Kosten durch ihren Betrieb und die Einnahmen von Fahrgästen erwirtschaften können.
Eine Subventionswürdigkeit bei Schienenverkehrsprojekten wäre nur dann gegeben, wenn bestimmte gesetzliche Vorgaben eingehalten werden. Dazu zählt u.a., dass Schienenfahrzeuge grundsätzlich in einem eigenen Gleisköper fahren müssen. Nur kleinere bzw. kürzere Teilstrecken aus der Gesamtstrecke dürfen im Straßenbett vorhanden sein.
Weitere Voraussetzung für die Gewährung von Bundes- oder Landeszuschüssen ist der volkswirtschaftliche (!) und nicht etwa der betriebswirtschaftliche Nutzen des Schienenverkehrssystems. Für die Beurteilung dieses volkswirtschaftlichen Nutzens gibt es eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Untersuchungsmethode, es handelt sich um das „Standardisierte Bewertungsverfahren“.
Dieses „Standardisierte Bewertungsverfahren“ sieht u.a. vor, dass eingesparte Fahrzeiten, eingesparte PKW-Kilometer und PKW-Unfälle sowie eingesparte Schadstoff-Emissionen zu berücksichtigen und mit bestimmten Geldbeträgen als „Nutzen“ des neu einzurichtenden Schienenverkehrsmittels zu berücksichtigen sind. Diesen Positionen mit Nutzen sind die Kosten des neuen Schienenverkehrsmittels gegenüber zu stellen. Überwiegen die für den Nutzen berechneten Werte die Kosten, so errechnet sich ein Nutzen-Kosten-Quotient von mehr als dem Wert 1. Nur wenn dieser Quotient über 1 liegt, kann aber ein Antrag auf Gewährung von Zuschüssen an den Bund oder das Land Hessen gestellt werden.
Ergibt die Durchführung eines „Standardisierten Bewertungsverfahrens“ einen positiven Nutzen-Kosten-Quotienten, so kann wie gesagt ein Antrag auf Subventionsgewährung gestellt werden, dies begründet jedoch keine Anspruch darauf, dass Subventionen tatsächlich gewährt werden. Sowohl der Bund, als auch das Land Hessen stellen für Verkehrsprojekte jährlich nur begrenzte Fördermittel zur Verfügung. Sind diese Fördermittel erschöpft bzw. bereits an andere Kommunen zugesagt, so nutzt ein positiver Nutzen-Kosten-Quotienten für sich genommen gar nichts, er garantiert keine Förderung.
2.
Schon für die ersten beiden (gescheiterten) Anläufe einer Stadtbahn in Wiesbaden waren NKUs erstellt worden, um die Förderfähigkeit zu ermitteln. Auch der Machbarkeitsstudie vom November 2016 lag eine erste „überschlägige NKU“ zugrunde. Für die Reaktivierung der Aartalbahn und eine Gesamtstrecke zwischen Bad Schwalbach und dem Mainzer HBF lautete der Nutzen-Kosten-Quotient zwischen 1,14 und 1,20. Dagegen sollte der Nutzen-Kosten-Quotient ohne die Aartalbahn sogar bei 1,35 liegen.
Bei der „überschlägigen NKU“ war in 2016 für die Trassenführung im Wiesbadener Stadtgebiet von einer Vorzugsvariante über den Quartiersboulevard seitlich der Mainzer Straße und das Gewerbegebiet Petersweg ausgegangen worden. Bei dieser Streckenführung war angenommen worden, dass die Citybahn zwischen Bad Schwalbach und dem Mainzer HBF (ohne Binnenverkehr in Mainz) 82.000 Fahrgäste befördere und zwar täglich. Von diesen Fahrgästen seien 22.000 vom individuellen PKW-Verkehr auf die Citybahn verlagert und dementsprechend eingesparte tägliche PKW-km, PKW-Betriebskosten, PKW-Emissionen und PKW-Unfälle als Nutzen zu bewerten. Vom Verkehr mit der S-Bahn sei eine Verlagerung von 3.700 Fahrgästen und vom Busverkehr von 56.300 Fahrgästen zu erwarten.
In der unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit am 12.12.2017 vorgestellten neuen NKU findet sich eine andere Linienführung im Wiesbadener Stadtgebiet, nämlich nunmehr eine „Vorschlagslinienführung“ über Biebrich (siehe die Grafik auf der Seite „Projekt CityBahn“) . Auf dieser etwas geänderten Gesamtroute zwischen Bad Schwalbach und dem Mainzer HBF Wiesbaden soll die Citybahn nun werktäglich (nicht täglich) ca. 100.000 Fahrgäste befördern. Diese gegenüber 2016 erhöhte Fahrgastprognose scheint damit zusammenzuhängen, dass in Biebrich mehr Menschen wohnen und beschäftigt sind, als im Bereich der Mainzer Straße und im Gewerbegebiet Petersweg. Allerdings werden in der neuen NKU nur noch 17.000 vermiedene PKW-Fahrten (werktäglich?) genannt, während in 2016 ja noch von 22.000 ersparten PKW-Fahrten die Rede war.
Alleine die deutlich erhöhte Fahrgastprognose dürfte entscheidend dazu beigetragen haben, dass der Nutzen-Kosten-Quotient der aktuellen NKU nun bei ca. 1,5 liegen soll. Weshalb aber nun in 2017 eine Linienführung über Biebrich auf einmal den Vorzug verdient, wo diese Linienführung doch in der Machbarkeitsstudie 2016 noch als ungünstig verworfen worden war, ist so nicht nachvollziehbar.
3.
Ein sachliche und ordnungsgemäße Überprüfung der „überschlägigen NKU“ vom November 2016 war und ist nicht einmal den Stadtverordneten ermöglicht worden, geschweige denn den Bürgern/Bürgerinnen. Der Grund ist banal: Der Magistrat hat entgegen dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 16.02.2017 die vollständigen Unterlagen und Berechnungen vom November 2016 bisher noch nicht herausgegeben.
Die NKU vom 12.12.2017 wurde auf der gemeinsamen Pressekonferenz im Rathaus und auf der gemeinsamen Sitzung der Verkehrsausschüsse von Mainz und Wiesbaden in einer aus einigen wenigen Schaubildern bestehenden bloßen Zusammenfassung präsentiert.
Anhand dieser Ergebnisübersicht ergibt sich ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen von 14,4 Mio. € bei Kosten von 9,3 Mio. €, was einem Quotienten von ca. 1,5 entspricht.
Wie aber etwa die Reisezeitgewinne und die eingesparten PKW-Betriebskosten rechnerisch zustande gekommen sind und was sich hinter den zusätzlichen Mobilitätsmöglichkeiten verbirgt, lässt sich der bloßen Ergebnisübersicht nicht entnehmen. Hier gilt wie schon für die Machbarkeitsstudie 2016: Was nicht vollständig vorgelegt und öffentlich gemacht wird, lässt sich nicht überprüfen und nicht sachgerecht kommentieren.
Für den Augenblick ist das positive Ergebnis der neuen NKU vom 12.12.2017 auch anderweitig ohne die nötige Substanz. Es fehlt beispielsweise eine Aussage dazu, ob bei dem mehrjährigen Prognosezeitfenster bis 2030 eigentlich auch Elektro-PKW berücksichtigt wurden. Soll die Umverlagerung von eingesparten Elektro-PKW-Fahrten auf die Citybahn eigentlich ebenfalls einen volkswirtschaftlichen Nutzen darstellen?
Nicht nachprüfbar ist ferner, welche Fahrgastkapazitäten der „CityBahn“ für die Berechnungen zugrunde gelegt wurden. Sind es durchgängig 480 Fahrgäste bei Zügen in Doppeltraktion? So viele Fahrgäste könnten in Doppeltraktion deshalb nicht ohne Weiteres transportiert werden, da es Schienenfahrzeuge auf Meterspur für den 2-Richtungsverkehr mit solchen Kapazitäten auf dem Markt gar nicht zu geben scheint (siehe auch das Stichwort Heilmittel Citybahn unter „Busse am Limit“).
Der dürren Zusammenfassung der neuen NKU vom 12.12.2017 lässt sich ferner nicht im Ansatz entnehmen, ob die Kosten der laufenden Unterhaltung, Wartung und Modernisierung der Citybahn korrekt einberechnet wurden. Wenn es bei der Citybahn um einen Prognosezeitraum weit über das Jahr 2030 hinaus geht, dann wird man davon ausgehen müssen, dass nicht etwa nur die Fahrwege und Oberleistungen, sondern auch die Schienenfahrzeuge selbst ständig gewartet und neuen technischen Bedürfnissen angepasst werden müssen.
Fazit: Die aus 15 Seiten bestehende Zusammenfassung der NKU vom 12.12.2017 ist nicht nachprüfbar. Wie es in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 21.12.2017 hieß, sei die vollständige NKU von den Gutachtern noch gar nicht zu Papier gebracht worden. Und bei den Infomessen zur Citybahn verlautete nun, eine Veröffentlichung der vollständigen NKU sei angeblich von der Genehmigung des Verkehrsministeriums abhängig. Unter Transparenz verstehen wir etwas anderes.