Stichwort Alternativen zur Citybahn – E-Busse, Bustypen, Wallauer Spange, P+R Plätze, Autonomes Fahren/Sammeltaxis
1. E-Busse und Brennstoffzellenbusse:
Ein Hauptargument für die Citybahn ist die Reduzierung der Schadstoffe in der Luft. Ab 2022 soll die Citybahn unter Umständen ganz oder teilweise die Buslinien 6, 33, 4 und 14 ersetzen. 20 Stadtbahnfahrzeuge sollen dann 30 Dieselbusse ersetzen. Die 20 Stadtbahnfahrzeuge kosten ca. 60 Mio. €, ersetzen aber gerade nur 12 % der Dieselbusse.
Da ein Stadtbahnfahrzeug mit (mindestens) 3 Mio. € etwa 6mal teurer ist als ein (Solo-) Elektrobus, könnte man mit den für die Bahnfahrzeuge in der Machbarkeitsuntersuchung 2016 geplanten 78 Mio. € auch 156 Dieselbusse durch E-Busse ersetzen, und zwar sofort. Mit den Einsparungen im städtischen Haushalt für Planungskosten der Bahn (ca. 38 Mio. € ?) und dem städtischen Anteil für den Gleisbau könnte man sogar den kompletten Fuhrpark an ESWE-Bussen durch emissionsfreie Busse ersetzen. Dies würde zu einer erheblichen Reduzierung der Umweltbelastung führen. Nach Schätzung der Deutschen Umwelthilfe, die durch Klagen – auch gegen Wiesbaden – ein Dieselfahrverbot erreichen will, beträgt der Schadstoffanteil der städtischen Busse immerhin 15 %. Diese könnten sofort reduziert werden, wenn statt auf eine Bahn auf emissionsfreie Busse gesetzt würde, und zwar nicht erst ab 2022.
Diese rasche Umstellung auf emissionsfreie Busse könnte natürlich auch Busse mit Brennstoffzelle einschließen. Auch solche Busse will ESWE Verkehr anschaffen und zwar schon ab 2018.
2. Bustypen:
Neben dem Umweltargument wird für die Bahn das Kapazitätsargument angeführt. Da Wiesbaden wachse, könnten die Busse die steigende Nachfrage nicht befriedigen. Es ist richtig, dass Wiesbaden wächst, allerdings hauptsächlich im Osten, also Bierstadt, Nordenstadt, Erbenheim und Kostheim. Dort fährt die Citybahn (im 1. Baustein) jedoch gar nicht. Sie ersetzt weitgehend die Linie 6, die heute schon eine Alternative hat, die S-Bahn zwischen den Hauptbahnhöfen von Wiesbaden und Mainz. Die S-Bahn braucht allerdings nur die halbe Zeit gegenüber der Citybahn.
Es stimmt zwar, dass ein Stadtbahn-Fahrzeug (Einzelzug mit 30 m Länge) mehr Personen befördern kann als ein einzelner Gelenkbus (mit ca. 18,75 m Länge). Da aber gleichzeitig die Taktzeiten verschlechtert werden (Hauptverkehrszeit: Busse 5 Minuten, Citybahn 10 Minuten) relativiert sich das Kapazitätsargument. Längere Taktzeiten bedeuten längere Wartezeiten und längere Reisezeiten.
Die CityBahn GmbH legt auf ihrer Website „citybahn-verbindet“ in einer Infografik bei den Kapazitätsberechnungen stets einen Doppelzug der Citybahn zugrunde, welcher 480 Personen befördern könne. Dies entspreche der Beförderungskapazität von 3 Gelenkbussen. Rechnet man dies auf einen Kurz-Zug mit 240 Personen herunter, so sollte dessen Beförderungskapazität derjenigen von etwa 1,5 gewöhnlichen Gelenkbussen entsprechen. Diese Zahlen der CityBahn GmbH sind aber so nicht nachvollziehbar.
Die genannte Infografik mit dem Doppelzug der CityBahn und 480 Fahrgästen enthält keine Angaben zur Fahrzeuglänge. In der Machbarkeitsuntersuchung 2016 ist allerdings die Planungsvorgabe von 30 m Zügen bzw. 60 m Zügen in Doppeltraktion und 60 m langen Bahnsteigen die Rede. In den Planungsvorgaben der Projektbeschreibung heißt es, es sei von Fahrzeugen auf Meterspur im 2-Richtungsbetrieb auszugehen.
Die aktuellen Niederflur-Wagen der Mainzelbahn heißen „Variobahn“ und stammen vom Hersteller Stadler Rail. Sie haben als Einzelzug eine Länge von 30 m, bieten aber nicht 240, sondern nur 174 Fahrgästen Platz (davon 66 Sitzplätze). Einer der letzten von ESWE Verkehr in 2017 angeschafften Gelenkbusse des Typs MAN Lion’s City G hat eine Länge von 18,75 m und kann bereits 146 Fahrgäste befördern (davon 53 Sitzplätze). Nimmt man einen Solowagen „EvoBus“ von ESWE Verkehr mit 12 m Länge und 94 Sitz- und Stehplätzen hinzu, so kämen diese beiden Busse auf eine Gesamtlänge von rund 31 m, sie könnten aber mit 240 Personen deutlich mehr Fahrgäste befördern, als für die Mainzelbahn angegeben wird. Die in Wiesbaden anzuschaffenden Niederflur-Wagen müssten also die Mainzer Stadtbahn von der Kapazität in den Schatten stellen.
Einige in London eingesetzte „Variobahnen“ mit 32 m Länge kommen zwar auf 84 (Klapp-) Sitze und 134 Stehplätze, zusammen also 218 Fahrgäste. Die Münchner „Variobahn“ ist dagegen schon stolze 34 m lang. Sie kann aber trotzdem auch nur 221 Personen befördern, nämlich 75 sitzend und 146 stehend. Die Variobahnen aus London oder München kommen allerdings so oder so für einen Einsatz in Wiesbaden nicht in Betracht: sie haben nämlich die falsche Spurweite von 1,435 und sind damit auf der geplanten Meterspur nicht einsetzbar. Auch Niederflur-Stadtbahnfahrzeuge der Firma Bombardier mit Meterspur und einer Beförderungskapazität von 266 bzw. 239 Personen, wie sie etwa in Antwerpen oder Zürich eingesetzt sind, tragen die Kapazitätsangaben der CityBahn GmbH nicht, denn sie sind entgegen den Vorgaben in der Machbarkeitsuntersuchung 2016 und der Projektbeschreibung für die Citybahn entweder sogar 36 m lang oder aber nur für den 1-Richtungsfahrbetrieb ausgelegt.
Wahrscheinlich wurden diese Ungereimtheiten in der Zwischenzeit bemerkt, den seit Anfang März 2018 heißt es nun, die Bahnsteige würden abweichend von den Vorgaben aus 2016 nun angeblich mit 70 m Länge geplant und die Kapazität der Citybahn in Doppeltraktion sei in Abhängigkeit von Ausstattung und Hersteller nur mit 440 Fahrgästen in der NKU vom 12.12.2017 angenommen worden.
Das ändert aber nichts daran, dass es auch Busse mit höherer Kapazität gibt, als die heute eingesetzten. So kann ein Megabus der Firma Van Hool, das neueste Model nennt sich Exqui.City und ist mit 24 m Länge auch als reiner E-Bus oder sogar Brennstoffzellen-Bus erhältlich, ca. 200 Personen befördern. Und 2013 wurde ein Bus mit 21 m Länge des Typs Mercedes CapaCity L und einer Kapazität für 191 Personen (Herstellerangaben) erprobt, ein ESWE-Fahrlehrer fuhr die Strecke der Linie 6 und war begeistert. ESWE-Verkehr lehnt diese Busse jedoch ab, weil die Kapazitätssteigerung nicht ausreichend sei, „um eine Einsparung von 5-Minuten-Wagen im Linienverkehr zu ermöglichen“. Die Kunden sollen lieber 5 Minuten länger warten, um dann in eine Bahn einzusteigen. Kundenorientierung sieht anders aus.
Im Zweifel ist für die Frage der Wirtschaftlichkeit eines Verkehrsmittels allerdings nicht entscheidend, wieviel Personen es theoretisch bei maximaler Ausnutzung befördern kann, sondern wieviel Personen es aller Voraussicht nach nutzen würden. Verkehrswege und Verkehrsmittel sind auch nicht etwa zwingend so zu planen, dass alle erdenklichen Verkehrsspitzen beherrscht werden. Dies wäre mit dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit häufig gar nicht vereinbar. Wenn die Citybahn als Kurz-Zug oder als Doppelzug wirklich einen Kapazitätsvorteil bieten würde, dann würde die Citybahn diesen nur zu Stoßzeiten ausspielen können. In den übrigen Verkehrszeiten würde er schon rechnerisch zusammenschmelzen oder sogar in das Gegenteil verkehrt. Sinnvoller und wirtschaftlicher ist es nämlich, 90 Fahrgäste in einem Solobus und nicht in einer Citybahn zu befördern.
3. Wallauer Spange:
Während die Citybahn Richtung Bad Schwalbach fahren soll, wo kaum Pendler wohnen, warten viele Wiesbadener schon lange auf eine schnelle Bahnverbindung Richtung Frankfurter Flughafen und Frankfurt Hauptbahnhof.
Die Lösung, Ausbau der Wallauer Spange, steht inzwischen im Bundesverkehrswegeplan. Es muss das dringliche Ziel der Stadt Wiesbaden sein, dass ein S-Bahn-Haltepunkt im Bereich Nordenstadt/Delkenheim eingerichtet wird. Diese Maßnahme hat einen vielfach höheren Nutzen-Kosten-Faktor als die Citybahn.
4. P+R-Plätze:
Eine Alternative zur Citybahn, aber auch eine gute Alternative für Pendler wäre die Einrichtung von park+ride-Plätzen. Diese müssen natürlich mit guten Busverbindungen angebunden werden.
In Verbindung mit einer Busfahrkarte sollte das Parken möglichst kostenlos sein. Auch das kostet Geld, aber nur ein Bruchteil der Kosten für die Citybahn und würde die Innenstadt von Autofahrten erheblich entlasten.
5. Autonomes Fahren/Sammeltaxis:
Selbstfahrende Kleinbusse werden schon heute getestet, etwa von den Berliner Verkehrsbetrieben.
Mittelfristig werden sie eine wichtige Ergänzung, ja sogar zur Konkurrenz des ÖPNV werden. Ähnlich wie Sammeltaxis können sie auch unabhängig von Haltestellen und Fahrplänen eingesetzt werden.
Für Bushaltestellen gilt in Wiesbaden die Regel, dass eine Haltestelle in mindestens 300 m Entfernung erreichbar sein muss. Für die Citybahn gilt eine Haltestelle in 500 m Entfernung als „fußläufig“. Das entspricht nicht den heutigen Sicherheitsbedürfnissen der Menschen, gerade auch in den Abendstunden. Deshalb sind Sammeltaxis – mittelfristig auch autonom fahrend – eine wichtige Alternative zu einer Bahn, die unflexibel an ein bestimmtes Gleis gebunden ist.
Autonom fahrende Systeme werden sich jedenfalls gewiss nicht auf den ÖPNV beschränken, sie werden auch im Individualverkehr, bei Taxiunternehmen, Car-Sharing und Mitfahr-Portalen eine große Rolle spielen und zu den autonomen Verkehrsträgern im ÖPNV in Konkurrenz treten. Ein starres schienengebundenes System wie eine Citybahn wird in diesem Konkurrenzverhältnis kaum noch Chancen haben (siehe auch Zukunft des Verkehrs).