Stichwort Emissionen – Luftqualität, Stickoxide, Umrüstung ESWE-Busflotte, Feinstaub, Lärm und Erschütterungen
Wie in vielen anderen Städten auch werden in Wiesbaden an bestimmten neuralgischen Punkten und bei bestimmten Wetterlagen die EU-Grenzwerte für die Luftschadstoffe, insbesondere die Grenzwerte für Stickstoffdioxyd, teils deutlich überschritten. Unter anderem deshalb argumentieren die Rathaus-Kooperation, ESWE Verkehr und die Befürworter der Citybahn, sie sei ein emissionsfreies Verkehrsmittel und sie diene dazu, die Luftqualität in Wiesbaden entscheidend zu verbessern.
Unser Umweltdezernent Andreas Kowol (Grüne) ging in einem Interview der Online-Zeitung merkurist.de vom 22.09.2017 sogar so weit, eine Art Drohung auszusprechen und meinte: „ Sollte ein Bürgerentscheid die Citybahn ablehnen, würde unmittelbar ein Diesel-Fahrverbot drohen – und das kann keiner wollen.“ Zwischenzeitlich wurde das Diesel-Fahrverbot aber abgewendet: Das Land Hessen hat unter Mitwirkung der Stadt Wiesbaden ein Bündel von Maßnahmen zur Luftverbesserung in einer Fortschreibung des so genannten Luftreinhalteplans festgelegt, was dazu führte, dass die Deutsche Umwelthilfe ihre Klage zur Erreichung eines Dieselfahrverbots vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden zurückgenommen hat.
Schon mit seinen damaligen Aussagen hatte Herr Kowol allerdings entscheidende Dinge grob übergangen:
Handlungsbedarf zur Absenkung der Luftschadstoffe bestand und besteht in allen Städten, in denen die EU-Grenzwerte für Luftschadstoffe auch weiterhin überschritten werden, sofort, d.h. die seitens der Befürworter der Citybahn behaupteten positiven Effekte zur Luftverbesserung wären in zeitlicher Hinsicht ungeeignet, weil die Citybahn erst in vielen Jahren in Betrieb gehen könnte. Bevor sie in Betrieb genommen werden könnte, müsste nämlich das gesetzlich vorgeschriebenen Planfeststellungsverfahren mit einem Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen werden. Erst danach könnten die notwendigen Baumaßnahmen und Fahrzeugbeschaffungen ausgeschrieben und vergeben werden. Auch die reine Bauzeit, selbst eine solche in Unterabschnitten zum 1. Teilabschnitt von der Theodor-Heuss-Brücke zur Hochschule Rhein-Main, wird viele Jahre, geschätzt 4 bis 5 Jahre, in Anspruch nehmen.
Der positive Effekt der Citybahn zur Luftverbesserung wäre, vor allem in Relation zu den damit verbundenen Infrastrukturkosten, zudem sehr gering. Wie hoch der Anteil des ÖPNV an der Verursachung der Luftschadstoffe in Wiesbaden ist – in Frankfurt sollen es etwa 5 % sein – und welcher realistische Anteil hier auf den Individualverkehr entfällt, ist uns im Einzelnen nicht bekannt. Es kann aus unserer Sicht aber eben keine verlässlichen Prognose geben, wie viele Autofahrer auf die Nutzung ihres PKW verzichten und stattdessen die Citybahn – auf einer einzigen Strecke ! – benutzen würden. Erst recht ist unklar, wie sich der Individualverkehr in den nächsten Jahren ganz konkret entwickeln wird, d.h. in welchem Umfang er wann zu- oder sogar abnimmt, und wie viele PKW künftig relativ schadstoffarm (z.B. Einhaltung strengerer Abgasnormen, Hybrid-Antriebe) oder lokal sogar schadstofffrei (Elektro- oder Brennstoffzellen-Antrieb) unterwegs sein werden. Sicher ist jedenfalls, dass sich der Individualverkehr aufgrund zahlreicher Anstrengungen und Subventionen („Anschaffungsprämie“) wegen seiner bisherigen Emissionen auf absehbare Zeit deutlich verbessern wird und zwar völlig unabhängig davon, ob in Wiesbaden eine Citybahn realisiert wird oder nicht.
Relativ sicher ist – auch ohne die Realisierung einer Citybahn – die Entwicklung der Emissionen beim ÖPNV in Wiesbaden. ESWE Verkehr hat beschlossen, dass die gesamte Busflotte bis zum Jahr 2022 komplett emissionsfrei sein soll. Auch der von der Stadt Wiesbaden aufgestellte „Masterplan Green City“ sowie die erwähnte Fortschreibung des Luftreinhalteplans sehen genau dies vor. Die ersten E-Busse sind daher in Wiesbaden schon im Liniendienst eingesetzt, weitere sollen sukzessive folgen. Wenn die Umstellung des Busverkehrs in Wiesbaden auf emissionsfreie Fahrzeuge etwas ins Stocken geraten ist, dann liegt dies hauptsächlich an den Lieferschwierigkeiten bei den Herstellern dieser Fahrzeuge. ESWE Verkehr hat aber entschieden, alle E-Busse exklusiv bei Mercedes Benz zu beschaffen und sich damit selbst in Abhängigkeit zu diesem Hersteller zu begeben. Jedenfalls greift das Argument, es werde für den ÖPNV ein emissionsfreier Verkehrsträger in Gestalt der Citybahn benötigt, offensichtlich schon seit Jahren nicht mehr.
Von den Befürwortern der Citybahn schlicht übergangen wird außerdem geflissentlich, dass Emissionen faktisch nur dort eingespart werden können, wo die Citybahn tatsächlich verkehren würde. Wo keine Citybahn-Strecke angedacht ist, könnte sie lokal auch nichts zur Verringerung der Luftschadstoffe beitragen bzw. keine neuen Fahrgäste (Umsteiger von Auto auf Schiene) gewinnen. Eine bloße Umverlagerung von Fahrgästen innerhalb des ÖPNV von Bussen auf die Schiene wäre unter dem Gesichtspunkt von Emissionen nicht einmal neutral, sondern mutmaßlich in einer Gesamtschau sogar schädlich: Eine Citybahn wäre ein Massentransportmittel von 35 m bzw. in Doppeltraktion von sogar 70 m Länge, welches ganz grundsätzlich nur dann ökologisch betrieben werden könnte, wenn es rund um die Uhr einigermaßen gut und vertretbar ausgelastet wäre. Dass ein Massentransportmittel in Stoßzeiten seine Kapazitätsvorteile hat, kann in Randzeiten und bei geringerer Auslastung in ökologischer Hinsicht schnell zum Problem werden: In Randzeiten kann es sicherlich ökologisch sinnvoller sein, nicht einen quasi leeren 35 m Zug, sondern eben einen kleineren E-Bus (Solo-Bus) oder einen Brennstoffzellen-Bus (Gelenkbus) einzusetzen. Hinzu kommt gerade auch unter ökologischen Gesichtspunkten, dass in einer Straßenbahn ein Streckenkilometer pro Fahrgastplatz etwa das dreimal so teuer ist, wie in einem E-Bus (vgl. unter Aktuelles den Beitrag 10.08.2018 – Die Citybahn ist eine gigantische anachronistische Fehlinvestition).
Sowohl elektrisch oder mit Brennstoffzelle angetriebene Busse, als auch die Citybahn können hingegen nicht als völlig emissionsfrei angesehen werden, denn beide Verkehrsmittel verursachen zwingend eine gewisse Menge Feinstaub. Außerdem können Emissionen natürlich bei der Erzeugung des Stroms und des Wasserstoffs anfallen, je nach dem ob und zu welchen Anteilen fossile Energieträger dabei (noch) verwendet werden. Allerdings hat die Citybahn gegenüber Bussen bei anderen Emissionen sogar noch einen weiteren echten Nachteil: sie erzeugt ein Schienenquietschen (=Lärm) und sie verursacht mit ihrem erheblichen Gewicht Erschütterungen des Bodens, wovon sich ein Mitglied unserer Bürgerinitiative in Mainz selbst überzeugen konnte. Die in Mainz eingesetzten Fahrzeuge der „Mainzelbahn“ mit der Bezeichnung Variobahn des Herstellers Stadler Rail sollen als Kurz-Zug mit 30 m Länge ein Leergewicht von 38 Tonnen aufweisen und vollbesetzt bis zu 57 Tonnen wiegen, so dass dieses Phänomen von Erschütterungen nicht wirklich überraschen kann.