Bei einer gemeinsamen Informationsveranstaltung der IHK Wiesbaden, der IHK Rhein-Hessen und der beiden zugehörigen Handwerkskammern am 06.08.2018 ging es um das Für und Wider der Citybahn. Als Redner und Fachreferenten waren Herr Prof. Zemlin, Herr Jahncke von der Firma TransCare sowie der Stadt- und Verkehrsplaner Herr Prof. Hartmut Topp geladen.
Wie gewohnt und nicht anders zu erwarten pries Herr Prof. Zemlin die Citybahn an und meinte wiederum, sie könne in Wiesbaden bereits ab 2022 fahren. In seiner Präsentation deutete Herr Prof. Zemlin außerdem an, die neue Vorschlagsvariante der Strecke über Biebrich und das Rheinufer habe eine Streckenlänge von 40 km. Das wären rund 6 km mehr, als die alte Vorzugsvariante aus 2016. Möglicherweise ist in den 40 km aber einfach nur ein Teil der Mainzer Bestandsstrecke vom HBF zur Uni eingerechnet. Außerdem ging aus dem Fachvortrag von Prof. Zemlin hervor, dass die Fördermittel von Bund zwar weiterhin mit 60 % angenommen werden, der Anteil des Landes Hessen aber möglicherweise statt 27,5 % nur 25 % betragen werde.
Herr Jahncke erläuterte aus seiner fachlichen Sicht für Verkehr und Infrastrukturplanung, wie sich die Mobilität künftig entwickeln werde und machte dies an zahlreichen Bespielen, etwa aus China, deutlich. Herr Jahncke stellte dann aber eine vergleichende betriebswirtschaftliche Berechnung vor, in welcher er die Lebenszykluskosten einer Stadtbahn denjenigen von E-Bussen gegenüber stellt. In diesen Berechnungen sind u.a. die Kapazität und Laufleistung der beiden Fahrzeugarten, deren Personalkosten und Energieverbrauch aber auch die Infrastrukturkosten (Bau und Unterhaltung der Wege) sowie die Fahrzeugbeschaffungskosten berücksichtigt. Das Ergebnis überrascht uns nicht, sondern bestätigt unsere Befürchtungen:
Die Citybahn würde pro Fahrgastplatz und Kilometer 15 Cent, ein E-Buss dagegen nicht einmal ein Drittel, nämlich nur 4,9 Cent kosten!
Die Gesamtkosten einer Citybahn für einen unterstellten Lebenszyklus von 30 Jahren lägen bei über 1 Mrd. €, die Gesamtkosten von E-Bussen mit einem Lebenszyklus von 2 x 15 Jahren lägen dagegen nur bei 333 Mio. €, also wiederum bei nur rund einem Drittel!
Die Mehrkosten der Citybahn gegenüber E-Bussen würden in einem Lebenszyklus von 30 Jahren Jahr für Jahr bei rund 22 Mio. € liegen.
Die treffende Schlussfolgerung von Herrn Jahncke lautete daher, die Citybahn sei eine gigantische anachronistische Fehlinvestition für Wiesbaden. Die Citybahn wäre 3 mal so teuer wie E-Busse.
Herr Prof. Topp ging auf diese Zahlen nicht weiter ein, sondern versteifte sich in seinem Vortag u.a. auf die Renaissance der Straßenbahnen in Frankreich und die Behauptung, eine Stadt ohne Straßenbahn erreiche niemals einen Anteil an ÖPNV-Nutzung von mehr als 16 %. Diese Ausführungen haben in ihrer Allgemeinheit aber schon deshalb keine Gültigkeit, da Herr Prof. Topp etwa das Phänomen der Stadt Bremen ausgeklammert hat. Trotz Straßenbahn liegt dort der Anteil der Nutzung des ÖPNV bei nur 11 %. Und in Hamburg, welches bekanntermaßen über eine U-Bahn verfügt, soll der Nutzungsanteil am ÖPNV wie in Wiesbaden ebenfalls bei rund 16 % liegen [Quelle: Spiegel, Heft Nr. 10 vom 03.03.2018, Seite 20 „Fluch der vollen Züge“; Anm.: Die im Artikel genannten Daten dürften aus dem Jahr 2008 und der Studie „Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008)“ von Infas und DLR stammen].
Und bei der anschließenden Diskussion musste Herr Prof. Topp wegen der Renaissance der Straßenbahnen in Frankreich sich dann von Herrn Jahncke den Hinweis anhören, dass Straßenbahnen in Frankreich zu 100 % staatlich subventioniert würden. Mit der Situation in Deutschland ist dies folglich nicht vergleichbar.
Bei der nächsten Vollversammlung der IHK werden deren Mitglieder einen Beschluss fassen, welche Position zur Citybahn eingenommen wird. Wir hoffen, dass sich die IHK ganz objektiv an Fakten und Zahlen orientieren wird. Dann aber kann kein positives Votum zur Citybahn abgegeben werden.