In der Sitzung des Gestaltungsbeirats vom 07.03.2018 präsentierte ESWE Verkehr verschiedene Grafiken rund um die Citybahn, um deren (angebliche) gestalterische Verträglichkeit mit dem Wiesbadener Stadtbild zu dokumentieren. Dabei gab es aus unserer Sicht einige echte Überraschungen.
Die Machbarkeitsuntersuchung 2016 war Bestandteil der von ESWE Verkehr Ende 2016 getätigten Ausschreibung für die Leistungsphasen 1 und 2 HOAI, d.h. der Grundlagenermittlung und der Vorplanung für die Citybahn. Wie es in der Sitzung des Gestaltungsbeirats am 07.03.2018 hieß, sei die Vorplanung voraussichtlich im April 2018 erst abgeschlossen.
In der veröffentlichten Zusammenfassung der erwähnten Machbarkeitsuntersuchung 2016 waren u.a. Planungsvorgaben für die Stadtbahnfahrzeuge in Einzeltraktion von 30 m Länge und von einer Bahnsteiglänge von 2 x 30 m Länge für eine Doppeltraktion enthalten. Und in der Machbarkeitsuntersuchung 2016 ware eine Schätzung der Gesamtinvestitionen der Strecke zwischen Bad Schwalbach über Wiesbaden bis nach Mainz von 448 Mio. € enthalten, welche u.a. auf diesen beschriebenen Prämissen zu den Fahrzeugen und den Bahnsteigen basierte.
Bis zum heutigen Tag findet sich auf der Website „citybahn-verbindet“ eine Grafik, wonach die Citybahn in Doppeltraktion eine Beförderungskapazität für 480 Personen biete.
Nun wurde von ESWE Verkehr in der Sitzung des Gestaltungsbeirats vom 07.03.2018 aber überraschend behauptet, die Haltestellen würden mit einer Länge von 70 m zzgl. Rampen geplant und die Fahrzeuge sollten in Doppeltraktion bei einer Breite von 2,40 m oder 2,65 m insgesamt 70 m lang sein, was den Planungsvorgaben in der Machbarkeitsuntersuchung 2016 widerspräche. Und die Fahrgastkapazität in Doppeltraktion solle nicht mehr 480 Personen, sondern nur noch 440 Personen betragen, wobei die Kapazität hersteller- und ausstattungsabhängig sei. Dies widerspräche der Infografik auf der Website „citybahn-verbindet“.
Offenbar lagen wir mit unseren Zweifeln zu den bisher von ESWE Verkehr behaupteten Kapazitäten der Citybahn von 480 Fahrgästen in Doppeltraktion richtig. Scheinbar hat man bei ESWE Verkehr (oder den Planern?) in der Zwischenzeit erkannt, dass an den bisherigen Kapazitätsangaben ausgehend von 30 m langen Zügen etwas nicht stimmen kann. Um die behaupteten Kapazitäten der Citybahn wenigstens annährend rechtfertigen zu können, wurden nun die Züge einfach breiter und länger ausgewählt, zugleich aber die Kapazität auf 440 Fahrgäste reduziert und zusätzlich das Hintertürchen offen gelassen, die wirkliche Kapazität sei hersteller- und ausstattungsabhängig . In Einzeltraktion käme ein Fahrzeug der Citybahn nun auf sogar etwa 35 m und ein Bahnsteig auf 70 m Länge.
Doch stimmt das alles? Und wenn ja, wer hat die Planungsvorgaben seit der Machbarkeitsuntersuchung 2016 einfach geändert? Und sind nicht längere Fahrzeuge und längere Bahnsteige teurer, so dass die in der Machbarkeitsuntersuchung genannten Baukosten für die Infrastruktur zu niedrig wären? Fraglich ist zudem, ob die bis zu 35 m langen Fahrzeuge die Mainzer Bestandshaltestellen und das dortige Depot nutzen können, denn die Mainzer Fahrzeuge der Fa. Stadler Rail sind nur 30 m lang.
Die Wiesbadener kennen die vollständige NKU vom 12.12.2017 bis zum heutigen Tage nicht, so dass die Behauptungen von ESWE Verkehr zu den angeblich geänderten Planungsvorgaben bei den Fahrzeugen und den Haltstellen nicht nachprüfbar sind. Möge ESWE Verkehr die neuen Eckdaten zu den Fahrzeugen und Haltstellen erläutern und belegen.
Mit fragwürdigen Methoden arbeitet ESWE Verkehr augenscheinlich leider weiterhin bei den Beförderungskapazitäten der Busse.
Dort werden nicht etwa die klassischen Gelenkbusse mit 18 m Länge, sondern nun auf einmal doch auch überlange Busse von bis zu 24 m Länge ausgewählt, welche ESWE Verkehr in der Vergangenheit „wegen zu kurzer Haltstellen“ immer abgekanzelt hatte. Und diese überlangen Busse werden nicht etwa mit den maximalen Kapazitäten berücksichtigt, welche die Fahrzeughersteller angeben, nein es werden vielmehr die Kapazitäten der Busse heruntergerechnet, indem bei den Stehplätzen angeblich 4 Personen pro qm berücksichtigt werden.
Natürlich spricht einiges dafür, auch während der Hauptverkehrszeiten in den Bussen möglichst noch ein Mindestmaß an Komfort für die Fahrgäste zu bieten. Das hat aber nichts mit den tatsächlichen Kapazitäten und auch nichts damit zu tun, wann bzw. zu welchen Stoßzeiten ein Verkehrsmittel wirklich zu 100 % ausgelastet wäre. Vor allem wird ja die Citybahn nicht etwa jeglichen Busverkehr in Wiesbaden ersetzen, d.h. ESWE Verkehr wird sich überlegen müssen, wieviel Kapazität die Busse auf den verbleibenden zahlreichen Buslinien im übrigen Stadtgebiet aufweisen müssen.
Und ist es etwa wirklich komfortabel, wenn sich 4 Personen einen qm Stehplatzfläche teilen müssen? Die Kapazitätsberechnungen von ESWE Verkehr für die Busse sind überdies nicht nachvollziehbar. Dazu müsste man die Grundfläche der Busse abzüglich der verbrauchten Fläche für die Sitzplätze kennen. Außerdem muss es erlaubt sein nachzufragen, wieviel Personen sich einen qm Stehplatzfläche eigentlich in einer Stadtbahn teilen müssen. Dazu sagt ESWE Verkehr wohlweislich nichts.
Unsere These, dass Busse im Konvoi bei gleicher Gesamtlänge bzw. an längeren Haltestellen vergleichbar viele Fahrgäste befördern können, wie eine jede Stadtbahn, bleibt uneingeschränkt aufrechterhalten. Ein moderner Bus bietet pro qm Innenraum annährend so viel Platz für die Fahrgäste, wie eine Stadtbahn. Busse bieten aber den Vorteil, dass sie nicht an Gleise und Stromleitungen gebunden und flexibel einsetzbar sind. In den Hauptverkehrszeiten kann man mehrere lange Busse einsetzen, in den Randzeiten nur noch einzelne Solobusse.