Bürgerentscheid CityBahn Wiesbaden – Website der Bürgerinitiative Mitbestimmung Citybahn

(1.11.20) Die Wiesbadener Bürger haben entschieden: NEIN zur Citybahn

(1.11.20) Die Wiesbadener Bürger haben entschieden: NEIN zur Citybahn

(1.11.20) Die Wiesbadener Bürger haben entschieden: NEIN zur Citybahn

Falls es noch irgend jemand nicht mitbekommen hat: Der Bürgerentscheid hat das Ergebnis NEIN, mit 62.1% der abgegebenen Stimmen (gegen 37.9% Ja-Stimmen). Die Wahlbeteiligung lag bei 46,2%. Das bedeutet, daß die Nein-Stimmen fast um den Faktor 2 über dem Quorum von 15% der Wahlberechtigten lagen, sogar die Ja-Stimmen lagen deutlich darüber.

(alle hier genannten Zahlen stammen von der offiziellen Webseite der Stadt zum Citybahn-Bürgerentscheid).

Ich will dazu hier jetzt gar nicht viel schreiben. Die Argumente sind seit langem bekannt, und daß ich mich freue, daß hier der gesunde Menschenverstand gegen eine Allianz verschiedener Interessenvertreter und vor allem gegen ein Multi-Millionen-Werbebudget gesiegt hat, kann man sich denken.

Nur eine Zahl zur Einordnung: Bei der letzten Stichwahl zum Oberbürgermeister lag die Wahlbeteiligung bei 31,1 %. Herr Mende wurde mit 61,8% der Stimmen gewählt. Das bedeutet, daß das NEIN zur Citybahn mehr Wählerstimmen hatte als der komplette Herr Oberbürgermeister Mende, der sich so vehement für die Citybahn eingesetzt hat.

Eine wunderbare Überleitung zum Begriff „zukunftsweisend“ aus Herrn Mendes Pro-Citybahn-Werbungsanschreiben – was ich aus fachlicher Sicht als wirklich zukunftsweisend sehen würde, habe ich ja schon in einem früheren Post geschrieben.

Es gibt aber noch eine zweite, politische Lektion, die aus meiner Sicht das Attribut zukunftsweisend verdient. Als die CDU kürzlich bekanntgab, daß sie sich, falls das Quorum nicht erreicht würde, dennoch an der Mehrheitsmeinung orientieren wolle, gab es einiges an Kritik. Unter anderem hieß es, es könne ja wohl nicht angehen, daß sich politische Entscheider an einer Minderheitenmeinung orientieren.

Falls ich es noch nicht erwähnt habe: Ich halte große Stücke auf die demokratische Kultur in unserem Nachbarland Schweiz. Ich habe es nicht versucht, aber ich stelle mir vor, daß ein Schweizer vollkommen verblüfft, wenn nicht entsetzt, wäre, wenn ihm jemand erzählt hätte, in Wiesbaden hätte es um ein Haar keinen Bürgerentscheid zur Citybahn gegeben.

Das Argument, wir hätten ja unsere gewählten Volksvertreter und die sollten alles entscheiden, kommt mir jedenfalls auch als Nichtschweizer ziemlich absurd vor. Ich habe ehrlich gesagt nicht nachgezählt, aber ich wette, ein typisches stadtpolitisches Parteiprogramm hat locker um die 50 Seiten, und ich wage mal die Behauptung, daß sich zum einen nur relativ wenige Leute so ein Wahlprogramm komplett durchlesen. Und auch wenn sie es täten, gibt es wahrscheinlich nur wenige Leute, die mit der Linie einer Partei zu 100% einverstanden sind. Ich erinnere mich, nur so als Beispiel, an mehr als ein Gespräch, in dem gesagt wurde, man tendiere ja eigentlich sonst schon zu den Grünen, aber hier lägen sie komplett falsch.

Das ist aber nur dann ein Problem, wenn es das Instrument des Bürgerentscheids nicht gibt. Die Parteien können gerne der Stadtpolitik, für das Alltagsgeschäft und ein bißchen darüber hinaus, ihre Farbe geben – dafür gebe ich ihnen gerne das Mandat. Aber Entscheidungen, die deutlich über das Tagesgeschäft hinausgehen, gehören in die Hand der Bürger – und zwar proaktiv, nicht widerwillig und nach jahrelangem Gezeter. Und auch nicht mit manipulativen Fragestellungen. Und schon gar nicht mit einer vollkommen einseitig verteilten finanziellen und medialen Feuerkraft, wenn es um entscheidungsrelevante Informationen geht.

In dieser Hinsicht haben die Schweizer eine wesentlich smartere Lösung, von der ich mir wünsche, daß sie in Deutschland endlich auch übernommen wird. Für die Basics, das Tagesgeschäft und von mir aus ein bißchen mehr sollten wie bisher die gewählten Vertreter zuständig sein. Größere Fragen gehören auf den Tisch der Entscheidung durch die Bürger. Dann werden auch nicht erst Millionen an Euro und Jahre an Zeit verschwendet, bis sich dann endlich herausstellt, daß ein Projekt gar nicht gewollt ist. Vielleicht führt das auch dazu, daß die Qualität der vorgeschlagenen Projekte besser wird.

Klar muß dazu ein Regelwerk festgelegt werden – aber sämtliche Räder neu zu erfinden ist nicht notwendig, schließlich haben wir bereits ein Nachbarland, in dem das notwendige Know-how existiert. Und sich das mal genauer anzusehen, wäre wirklich zukunftsweisend angelegtes Steuergeld.