Wie die zukünftige Wiesbadener Stadtregierung aussieht, wissen wir ja noch nicht. Eigentlich sollte uns das Universum für Corona noch was schuldig sein und dafür sorgen, daß zumindest im Bereich Verkehr endlich Profis ans Ruder kommen.
Andererseits kommt es natürlich auf die Definition von „Profi“ an. Wenn es darum geht, möglichst viel Stau und damit auch Umwelt- und Gesundheitsbelastung zu erzeugen, muß man dem Verkehrsdezernat schon recht viel Professionalität bescheinigen. Neueste Glanzleistung: Seit heute geht wegen einer Baustellenabsperrung das Linksabbiegen von der Rheinstraße ortsauswärts auf den 1. Ring nicht mehr (an der Ringkirche). Die zwei Spuren der Rheinstraße werden auf eine verengt, die dann nur noch rechts abbiegen kann.
Das ist insofern „genial“, als daß ich ziemlich sicher bin, daß die nächsten Tage (zur Erinnerung: es ist Ostern) an dieser Baustelle nichts passieren wird. Wohlgemerkt: Da ist noch kein Loch gegraben worden oder so etwas, es steht nur, Stand heute mittag, ein einsamer Radlader auf der Straße herum. Das heißt, diese Baustelle hat nur einen Effekt: jede Menge zusätzliche Abgase und natürlich eine Menge Zeitverlust für die Autofahrer zu verursachen, die da im Stau stehen.
Wie war das noch: Bei der Kosten-Nutzen-Bewertung für die Citybahn wurde jede Sekunde „Reisezeitgewinn“ mit generösen Geldbeträgen verrechnet. Wer mag, kann ja mal ausrechnen, was diese völlig sinnlose Aktion die Allgemeinheit kostet.
Einen netten Aspekt hat die Sache aber dennoch: an der Ringkirche steht ja eine von den beiden Umweltmeßstationen der Kategorie „Traffic“, die Wiesbaden derzeit hat (die andere steht an der Schiersteiner Straße ortsauswärts zwischen 1. und 2. Ring). Bekanntlich sind ja die Daten dieser Stationen öffentlich zu beziehen; tatsächlich landen diese Daten, in Stundenauflösung, regelmäßig in einer meiner Datenbanken. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich die NO2- und Feinstaubwerte im Zeitraum dieser Baustelle darstellen.
Es sollte auch bekannt sein, daß die aktuellen Grenzwerte unter anderem auf Modellierungen von „verlorenen Lebensjahren“ basieren, was ja auch die Grundlage für Kampagnen militanter Autogegner wie der DUH ist. Und dann gibt es ja, auch das eine Erinnerung aus der Citybahn-Zeit, noch die Leute, die in äußerst bewegten Bildern die Nahtoderlebnisse schildern, die sie regelmäßig in den Abgasschwaden der Autos haben. Diese Leute wollen sicher ernst genommen werden, und schon der österreichische Volksmund weiß „zu Tode gefürchtet ist auch gestorben“. Leider gibt es dazu noch keine belastbaren Zahlen, so daß wir als untere Abschätzung erstmal nur die Werte aus den „kontrafaktischen Analysen“ der WHO verwenden können. Ich bin gespannt, für wie viele zusätzliche verlorenen Lebensjahre unsere Wiesbadener Stauplanungsprofis hier verantwortlich sind – wer weiß, vielleicht gibt es für sie ja dann dieses Jahr nicht nur Ostereier, sondern auch eine Anzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Das wäre dann doch mal ein nettes Ostergeschenk des Universums.
Update, Donnerstag abend, zirka 20 Uhr: Jetzt steht da in der Absperrung, die das Links-Abiegen auf den Ring verhindert, statt des Radladers ein kleiner Abfallcontainer, für den es sicher auch anderswo einen Abstellplatz gegeben hätte. Und die reguläre Geradeaus/Linksabbiegerspur wird durch eine zirka 40 cm breiter, ca. 30 cm tiefe Einfräsung blockiert, über die man mit etwas gutem Willen (oder Hirn) für die nächsten 4 Tage problemlos auch eine Stahlplatte hätte legen können. Frohe Ostern!