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18.3.2020 – Aus aktuellem Anlaß – Corona, der MIV und die Lehren für die Zukunft

18.3.2020 – Aus aktuellem Anlaß – Corona, der MIV und die Lehren für die Zukunft

Aus aktuellem Anlaß – Corona und der MIV:

Niemand weiß heute, wie sich die nächsten Wochen und Monate entwickeln werden. Gut möglich, daß auch in Deutschland – nach Italien, Spanien, Frankreich und Österreich – schon bald weitgehende Ausgangssperren angeordnet werden.

Damit zumindest ein Teil der Wirtschaft weiterlaufen kann, müssen Menschen zu ihrem Arbeitsplatz gelangen. Auch wenn einige das nicht gerne hören werden: Massentransportmittel des ÖPNV bringen ein erhöhtes Infektionsrisiko für die Fahrgäste und auch für das Personal mit sich, weil dort ein von den Fachleuten geforderter „sozialer Abstand“ von 1 bis 2 m und eine durchgängige Desinfektion von Sitzen, Griffen etc. praktisch nicht gewährleistet werden kann. Bei einer individuellen Mobilität, gerade auch einer solchen mit einem eigenen PKW, ist das Ansteckungsrisiko dagegen nahe Null. Wer will es den Menschen also in diesen Zeiten verdenken, wenn sie dem ÖPNV, falls möglich, den Rücken kehren?

Wir können daher in doppelter Hinsicht eigentlich froh sein, daß es einen relativ hohen Individualverkehr gibt. In diesen Zeiten reduziert nicht nur jeder Radfahrer, sondern eben auch jeder Autonutzer das Ansteckungsrisiko für sich und sein Umfeld. Der weitere positive Effekt ist, daß weniger Menschen in Bussen, Straßenbahnen und Nahverkehrszügen ein geringeres Infektionsrisiko für diejenigen bedeutet, die wirklich auf diese Transportmittel angewiesen sind.

Was kann die Politik hier tun? Es wäre darüber nachzudenken, den Menschen, die vielleicht wirklich lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren wären, das Leben nicht noch zusätzlich schwer zu machen, indem ihnen   etwa zu Beginn oder am Ende eines anstrengenden Arbeitstags – noch endlose Parksuchfahrten oder lange Wege zugemutet werden.

Wie weit Parkraumbewirtschaftung und planmäßige Verkehrseinschränkungen für den motorisierten Individualverkehr gehen sollten, mag man in normalen Zeiten kontrovers diskutieren. Dies sind aber keine normale Zeiten, und das wird noch eine ganze Weile so bleiben. Geboten wäre, kostenpflichtiges Parken im öffentlichen Raum bis zum Ende der Coronakrise auszusetzen. Wo möglich, sollten auch Parkhäuser kostenlos werden und rund um die Uhr geöffnet sein. Noch besser wäre, zusätzlichen Parkraum zu schaffen, beziehungsweise künstliche Parkraumverknappung rückgängig zu machen, wo dies mit geringem Aufwand möglich ist.

Wir dürfen annehmen, daß in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft die unmittelbare Bedrohung durch Corona vorbei sein wird. Aber schon heute ist klar, daß Corona Folgen haben wird, in Form einer schweren wirtschaftlichen Belastung. Corona wird viele Branchen hart treffen, und wenn Deutschland nicht komplett in Schulden versinken soll, wird es kein Geld für ideologiegetriebene Luxusprojekte wie die Citybahn mehr geben können. Was bringt ein weiteres Massentransportmittel in die Innenstadt, wenn es dort keine Geschäfte und Ausgehmöglichkeiten mehr gibt oder die Unternehmen nach einer massiven wirtschaftlichen Schwächung durch die Corona-Krise dann gleich wieder jahrelange Umsatzeinbußen durch stadtweite Baustellenaktivitäten verkraften müssen?

Dazu kommt noch etwas ganz anders. Auch wenn diese Krise überwunden ist – Covid19 war nicht das erste Virus mit einem solch zerstörerischen Potential und wird nicht das letzte sein. Wahrscheinlich dachten die meisten Menschen auf diesem Planeten – und die in den wohlhabenden, hochentwickelten Ländern ganz sicher – daß die Zeit der Pandemien vorbei sei. Das Gegenteil ist in unserer globalisierten Gesellschaft der Fall. Was wir jetzt schon gelernt haben: Hochverdichtete urbane Räume sind ein ideales Ausbreitungsgebiet für solche Pandemien.

Wenn wir die Verstädterung –und damit verbunden auch den Vormarsch von Massentransportmitteln – einen Megatrend nennen, entsteht der Eindruck, dies sei etwas Unvermeidliches oder sogar etwas, das begrüßt und gefördert werden sollte. Wir haben nun mehr als deutlich vor Augen geführt bekommen, welche immensen Risiken dieses Leben in Ballungsräumen mit sich bringt.

Es mag sein, daß es Länder gibt, in denen die Geburtenraten das ungebremste Wachstum und die immer weitere Verdichtung von Ballungsräumen unvermeidlich machen. Für Deutschland, und für die meisten anderen europäischen Länder, gilt dies sicher nicht. Die Lektion, die wir gerade bekommen, muß in die zukünftige Raum- und Stadtplanung einfließen.

Auch vor der Coronakrise ist die Verstädterung erkennbar an ihre Grenzen gestoßen. Selbst wenn man nur äußere Faktoren wie die explodierenden Mieten in Ballungsräumen betrachtet, und nicht nach der Lebensqualität beim Leben auf wenig Fläche und mit zuviel ungewollter Nähe zu zu vielen Menschen fragt – das Hinnehmen von Landflucht und die immer weitere Verdichtung von städtischen Räumen ist keine nachhaltige Lösung.

Jetzt gibt es erst recht keine Ausrede mehr, zukünftige Strategien darauf auszurichten, weiteres Wachstum von Ballungsräumen zu verhindern. In einem ersten Schritt sollten Anreize für die Ansiedlung von noch mehr „Leutemagneten“ wie großen Firmen und Verwaltungseinheiten oder auch Hochschulen in Ballungsgebieten zugunsten einer besseren Verteilung in der Fläche beseitigt werden. Dazu muß eine langfristig angelegte Strategie kommen, solche Strukturen wieder aus den Ballungszentren herauszudrängen. Dies wird keine leichte Aufgabe sein; es wird Zeit und auch Geld brauchen, dies umzusetzen. Sehen wir die aktuelle Pandemie als Chance, uns deutlich vor Augen zu führen, was geschieht, wenn zu viele Menschen auf zu engem Raum leben.