(28.10.20) Zum Thema Rasengleis
In der Diskussion der vergangenen Wochen war „Rasengleis“ eines der dominierenden Themen. Keine Frage, daß ein solches Rasengleis hübscher aussieht als Schotter – wenn es gut gepflegt wird, was wiederum Kosten verursacht. Es wurde aber auch behauptet oder suggeriert, daß ein Rasengleis noch mehr kann – vor allem Regenwasser direkt ins Grundwasser leiten. Der folgende Artikel liefert hierzu und zum Thema Rasengleis allgemein vertiefende Sachinformationen.
Für den eiligen Leser vorweg eine Kurz-Zusammenfassung: Typische Bauformen von Rasengleisen haben keine Verbindung zum Grundwasser, um die Stabilität der Konstruktion nicht zu gefährden; der Rasen ist nur eine Fassade. Will man Regenwasser ins Grundwasser ableiten, sind aufwendigere (und damit teurere) Konstruktionen notwendig. Ein Rasengleis hat zudem nicht nur Vorteile – die regelmäßig erforderlichen Wartungsarbeiten an den Schienen erfordern, daß die Rasenschicht entfernt und neu aufgebaut wird – auch dies ist ein Kostenfaktor.
Da sich die Pro-Seite weiterhin weigert, die aktuellen Zahlen zur NKU offenzulegen, wissen wir nicht, ob die im Kurzbericht zur Planfeststellung genannten Bauformen auch tatsächlich die sind, die bei der Kostenberechnung zugrundegelegt wurden, das heißt, ob die angesetzten Kosten realistisch sind. Die konstante Verweigerung von Transparenz hinsichtlich der NKU-Zahlen sollte jedenfalls auch hier mißtrauisch machen.
Das folgende Bild zeigt ein Rasengleis-Beispiel, wie es kürzlich in Wiesbaden ausgestellt wurde.
Wie man an diesem Modell sehen kann, liegt der Rasen nur über den Schwellen und dem Schotter und kann nicht nach unten wurzeln – es ist also keine natürliche grüne Wiese mit einem Paar Schienen drin, sondern ein klassischer Gleisaufbau mit einer Rasenfassade drüber. Übrigens haben wir bei STRABAG angefragt: Es wurde bestätigt, dass das gezeigte Rasengleis-Modell von STRABAG stammt. Und es wurde darauf verwiesen, „dass bei späteren Wartungsarbeiten (Stopfarbeiten) der gesamte Rasen samt Isolierung ausgebaut werden muss.“ und natürlich danach auch wieder eingebaut. Also ein großer Aufwand bei der Gleiswartung (die nicht bezuschusst wird).
Und nun zu den Details:
Wenn sich die Gleise setzen oder verschieben, wird dieses durch „Stopfen“ ausgeglichen. Eine Stopfmaschine greift mit vibrierenden „Stopfpickeln“ in den Schotter und schiebt davon so viel unter die Schwellen, dass das Gleis wieder auf gerader Soll-Lage liegt. Die Stopfmaschine arbeitet dabei weitgehend automatisch, kontrolliert sich selbst und dokumentiert die Qualität der erreichten Gleislage. Solche Stopfdurchgänge sind alle paar Jahre erforderlich, je nachdem wie stark die Setzungen sind.
Für diesen Vorgang muss aber alles, was über dem Schotter liegt, vorher abgeräumt werden, also Rasen, Substrat, Geotextil und die Schienenisolierung. Nach dem erfolgreichen Stopfgang muss es dann wieder eingebaut werden. Der Aufwand für diese überwiegend manuell zu erledigende Aufgabe ist um ein Vielfaches höher als der mechanisierte und automatisierte Stopfvorgang im Schotter. Extrakosten für die Schönheit mit Rasengleis.
Zwischen dem Substrat, in dem der Rasen wachsen soll, und dem Schotter liegt eine Lage aus Geotextil (ein verrottungsbeständiges Kunststoff-Filter-Vlies). Das sorgt dafür, dass das feine Substrat nicht zwischen den Schotter darunter rieselt, läßt aber Wasser durch. Die Hohlräume zwischen den Schottersteinen müssen leer bleiben, um die elastische Lagerung des Gleises im Schotterbett zu erhalten. (Regen-) Wasser, dass nicht vom Substrat festgehalten wird, sickert durch das Geotextil in den Schotter und steht dem Rasen nicht mehr zur Verfügung. Da dieser Rasen keine Verbindung zum natürlichen Boden hat, trocknet er schnell aus und fordert in trockenen Perioden laufendes Wässern (Straßenbahnfahrzeug mit Wassertank und Sprüharm?).
Der Gleisschotter liegt natürlich nicht nur zwischen den Schwellen (wie im Modell), sondern auch darunter noch ca. 20 bis 30 cm stark. Unter dem Schotter liegt dann die hydraulisch gebundene Tragschicht (HGT), eine Art Beton, der die Lasten aus dem Schotter auf den Untergrund verteilt. Das von oben durch den Schotter sickernde Wasser fließt auf der Oberfläche der HGT seitlich ab. Wenn noch eine Straße daneben liegt, stört es dort, denn es weicht die Gründungsebene auf. Hier wäre dann eine Drainage erforderlich, um das störende Wasser schadlos abzuführen.
STRABAG-Rail bevorzugt Systeme mit „Fester Fahrbahn“ statt Schotter. Die Schienen liegen dabei nicht auf Schwellen im Schotterbett, sondern auf breiten Ortbetonbalken oder Platten in Gleis-Längsrichtung, die die Achslasten soweit verteilen, dass nur mit geringen Setzungen zu rechnen ist. Dafür können Setzungen dann auch nicht mehr maschinell durch Stopfen kompensiert werden, sondern es müssen Futterbleche individueller Stärke zwischen Schienen und den Betonplatten eingeschoben werden um die Setzungen zu kompensieren. Das ist natürlich wesentlich aufwendiger und arbeitsintensiver als beim Schotteroberbau.
Im Kurzbericht zur Planfeststellung (Seite 10, Kapitel 2.1.3) steht: „In der Regel erfolgt die Schienenbefestigung auf einer Betonplatte (Feste Fahrbahn) bzw. im Rasengleisbereich auf Betonlängsbalken.“ Das Modell zeigt aber konventionelle Querschwellen statt Längsbalken.
Im Kurzbericht (Seite 10, Kapitel 2.1.3) steht: „Als Schiene wird im Regelfall eine Rillenschiene ausgeführt.“ Das Modell zeigt aber normale Vignolschienen wie bei der Eisenbahn, ohne die angewalzte Rille für den Spurkranz des Schienenrades.
Bezüglich des Rasens gibt es zwei Varianten:
- mit hochliegender Vegetationsebene, d.h. Rasenoberkante auf Höhe der Schienenoberkante, wie in den Visualisierungen und Fotomontagen gezeigt. Dann müssen Schienen und Schienenbefestigungsmaterial gegen Feuchtigkeit und die Umgebung gegen Streuströme durch eine Isolierung der Schienen geschützt werden. Auch muss eine Rillenschiene eingebaut werden um den Weg des Spurkranzes freizuhalten. Das bedeutet zusätzliche Kosten bei der Erstellung und bei künftigen Wartungen, da die Schienenfüße zur Höhenkorrektur wieder nur nach Abräumen von Rasen und Isolierung zu erreichen sind.
- mit tiefliegender Vegetationsebene, d.h. Rasenoberkante unterhalb der Ebene der Schienen und Schienenbefestigungen. Dann sind die Isolierung und die Rillenschienen nicht nötig aber der Anblick nicht so gefällig, weil die Schienen frei hochstehen. Auch ist der positive Effekt des Rasens bei Schalldämmung und Feinstaubfang geringer.
Variante 1 ist bei Bau und Wartung deutlich aufwendiger und teurer als das abgedeckte Schottergleis gem. Modell und Variante 2. Ob das wohl in der NKU erfasst wurde/wird?
Variante 1 entspricht aber den Angaben zur Bauform im Kurzbericht zum Planfeststellungsverfahren.
Vorteil bei den „Schotterlosen“ Bauverfahren mit fester Fahrbahn ist, dass Regen, der auf den Rasen fällt, tatsächlich durch den Unterbau der Festen Fahrbahn zum Grundwasser geleitet werden kann. Die Tragschicht zwischen Betonbalken und natürlichem Untergrund besteht aus Splittschichten speziellen Kornaufbaus, die verdichtet und damit hinreichend tragfähig gemacht werden können und trotzdem begrenzt wasserdurchlässig sind.
Die Rasenschicht ist bei allen Varianten jedoch vom natürlichen Boden getrennt und kann nicht in diesen hineinwurzeln. Sie ist also auf laufende Pflege angewiesen und insbesondere auf Bewässerung in trockenen Perioden.
Dieser Text ist aus einer Fachrecherche von Klaus Duda entstanden, für die ich hier nochmals „Vielen Dank“ sage.