(21.8.20) Zum Thema Mobilitätsleitbild: Nun ist ja der Prospekt zum Mobilitätsleitbild herausgekommen – und hat bei mir, ich kann es nicht anders sagen, die verstörenden Erinnerungen an diese Veranstaltungsreihe wieder wachgerufen, von denen ich gehofft hatte, sie erfolgreich verdrängt zu haben.
Mit unter anderem 15 Jahren Erfahrung in der internationalen Standardisierung kenne ich mich ein wenig mit Veranstaltungen aus, die viele „Stakeholder“ an einen Tisch bringen und gemeinsam getragene Lösungen organisieren. Eine Veranstaltung wie diese habe ich allerdings noch nie erlebt.
Gefühlt etwa 50% der Inhalte hatten entweder einen maximal an den Haaren herbeigezogenen Bezug zur Mobilität in Wiesbaden oder waren einfach nur „nice to have“, die übrigen hatten erkennbar das Ziel, eine bestimmte Sichtweise zu erzeugen. „Meinungsaustausch“, allerdings – der Wunsch, die Meinung der Teilnehmer gegen die von den Veranstaltern gewünschte auszutauschen.
Ein vernünftiges Zeitmanagement der Hauptvorträge, oder eine straffe Moderation, eigentlich eine Selbstverständlichkeit bei solchen Veranstaltungen, gab es nicht. Das Ergebnis war eine endlose Frontalbeschallung für meist mehr als ¾ der Veranstaltungszeit. Wer dann noch nicht ins Koma gefallen war, durfte Fragen stellen – deren meist erneut langatmige Beantwortung sorgte in der Regel dafür, daß die wenige verbliebene Zeit dann auch schnell um war.
Fun fact, aber wem sage ich das: Gesteuert und gestaltet wurde diese Veranstaltung von der gleichen Werbeagentur, die auch für die Citybahn-Propaganda beauftragt wurde. Aber natürlich kam das C-Wort offiziell nirgends vor, man war ja „neutral und ergebnisoffen“.
Neutralität und Ergebnisoffenheit – ein Blick auf den sogenannten „wissenschaftlichen Beirat“, ausgesucht ebenfalls von der Werbeagentur, Vorsitzender: Ein Soziologieprofessor aus Berlin, der unter anderem dafür eintritt, den Privatbesitz von PKW zu verbieten. Nun ja.
Und a propos Teilnehmer: Es war an keiner Stelle erkennbar, wie die Teilnehmerauswahl die Wiesbadener Stadtgesellschaft adäquat abbilden sollte. Real erkennbar war allerdings, daß ein guter Teil gerade der Teilnehmer, die vielleicht noch die Mehrheit der Bürger repräsentiert hätten, den Veranstaltungen zunehmend ferngeblieben sind.
Die inhaltliche Substanz war dementsprechend mehr als bescheiden; was da als „Fachgutachten“ deklariert wurde, würde ich eher als uninspirierte Fleißarbeit bezeichnen. Quelle übrigens: die gleichen Planungsbüros, die auch mit der Citybahn-Planung betraut sind. Was die Bürgerbeiträge angeht: Ausgewählte Einzelstatements wurden in anschließenden Präsentationen plötzlich zu „Ergebnissen“. Es ist mehr als zweifelhaft, welche dieser „Ergebnisse“ die Mehrheit der Wiesbadener in der Umsetzung auch nur tolerieren würde, geschweige denn wünschen.
Keine Überraschung hier – daß beim Mobilitätsleitbild fair gespielt wird, hatte ich nicht erwartet, und natürlich wird dieses Mobilitätsleitbild jetzt in der Citybahn-Propaganda bis zum Letzten gemolken. In einem Punkt war ich eine Weile unentschlossen – waren die Organisatoren dieser Farce einfach unfähig, diesen Manipulationsversuch professioneller umzusetzen, oder haben sie – das würde ich dann schon als eine Beleidigung auffassen – gedacht, es merkt sowieso niemand und mehr Mühe lohnt gar nicht?
Zuletzt, angesichts der Fragestellung zum Citybahn-Bürgerentscheid, tendiere ich übrigens doch mehr in Richtung Beleidigung.
Aber immerhin – die Schnittchen waren okay.
Wenn Sie mehr über unsere Ansichten zum Thema Mobilitätsleitbild lesen wollen – auf unserer Webseite finden sich unter „Aktuelles“ diverse Beiträge. Oder Sie machen sich einfach selbst ein Bild – schauen Sie sich die Videoaufzeichnungen der Veranstaltungen an, am besten in voller Länge und ohne Pausen dazwischen. Dann wissen Sie, wie es sich angefühlt hat.