(2.9.20) Schnäppchen – oder: Was man mit Zahlen so alles anstellen kann:
In einer Pressemitteilung hat die Stadt Wiesbaden kürzlich mitgeteilt, daß der Anteil der Stadt Wiesbaden an den Kosten der Citybahn-Strecke von 36,38 auf 28,75 Millionen Euro gefallen sei.
Tolle Nachricht!…könnte man meinen.
Wenn nicht die 36,38 Millionen (beeindruckende Genauigkeit bei der Berechnung, übrigens, Respekt!) eigentlich die 19 Millionen des Kowol’schen „Schnäppchens für Wiesbaden“ wären bzw. gewesen sind, worauf – immerhin – faz.net hinweist.
Dahinter steckt eine Korrektur der geschätzten Baukosten von ursprünglichen 305 Millionen Euro auf zirka 426 Millionen. Kombiniert mit einer leichten Erhöhung der Förderprozentsätze ergibt sich die Zahl der Pressemitteilung. Die wohlgemerkt irgendwie vergessen hat darauf hinzuweisen, daß damit der Kostenanteil nicht um zirka 8 Millionen Euro gesunken, sondern um fast 10 Millionen Euro gestiegen ist. Offenbar sind die Citybahn-Protagonisten hinter dieser Pressemitteilung inzwischen so schmerzfrei oder so verzweifelt, daß sie gar nichts mehr dabei finden, mit Methoden zu arbeiten, die man eher bei unseriösen Händlern vermuten würde.
Wobei das wohlgemerkt noch nicht die Schlußbilanz ist, sondern nur eine Anpassung der Schätzung. Da steigen bei mir irgendwie Erinnerungen an S21 auf. Plus die Frage, ob nicht die ganze Rechnung mit üppigen Staatszuschüssen (also letztlich unserem Steuergeld) nicht sowieso ohne den Corona-Wirt gemacht wird.
Und wir sprechen hier nur vom Baukostenanteil, bei dem der Löwenanteil so oder so aus Landes- und Bundesmitteln kommt. Ich würde mal davon ausgehen, daß auch Preise für Straßenbahnwagen (die von Wiesbaden selbst bezahlt werden müssen) oder anderes Betriebsmaterial steigen (hierzu findet sich noch ein zweiter Artikel in faz.net).
Interessant finde ich auch, daß die Informationen über die deutlich gestiegenen Kosten laut einem weiteren Artikel in faz.net den Wiesbadenern offenbar verschwiegen werden sollten: „(der Verkehrsdezernent des Rheingau-Taunus-Kreises) Günter Döring (SPD) erläuterte…dass die neue Kostenschätzung ein als vertraulich klassifizierter Bericht war, der aus ungeklärten Gründen an die Öffentlichkeit gelangt sei“. Offenbar hat Herr Döring kein Problem damit, sich im gleichen Artikel mit „„Wir von der City-Bahn spielen immer mit offenen Karten“, sagte Döring“ zitieren zu lassen.
Und noch eine traurige Feststellung – entweder sind nicht alle Artikel des Wiesbadener Kuriers bei der Suche nach „Citybahn“ auffindbar, oder unsere lokale ehemalige „Qualitätspresse“ hat beschlossen, einige Informationen doch lieber nicht zu bringen. Ich gebe zu, daß ich hier nicht motiviert bin, die Sache weiter zu recherchieren. Um es angelehnt an die Worte von Herrn Drosten zu BILD zu sagen – der WK gehört schon länger nicht mehr zu meiner täglichen Medienwelt. Ungefähr seit er, so hat muß ich es leider sagen, beschlossen hat, etwa 75% seiner Leser nicht mehr informieren, sondern umerziehen zu wollen.