(15.10.20) Kleine Gefälligkeiten unter Freunden
Wie wir in der FAZ lesen dürfen, ist der Rheingau-Taunus-Kreis sehr daran interessiert, daß eine Eisenbahn quer durch Wiesbaden gebaut wird. Auch der DGB-Kreisverband Wiesbaden-Rheingau-Taunus möchte in Wiesbaden eine „sozial-ökologische Verkehrswende“.
Das ist wirklich rührend. Wie können sich die Wiesbadener dem verweigern – die Chance, sich für so hehre Ziele zu opfern, und den Rheingau-Taunus-Kreis gleich mit glücklich zu machen? Da akzeptieren wir doch sicher gerne jahrelanges Verkehrschaos in der Bauphase und sehr wahrscheinlich auch danach, und das massive Risiko enormer zusätzlicher Defizite im Stadthaushalt über Jahrzehnte. Daß sogar im offiziellen Kurzbericht zur Planfeststellung auf so ziemlich allen Streckenabschnitten im Stadtgebiet eine Überschreitung der Lärmgrenzwerte besonders in der Nachtzeit prognostiziert wird, ist da fast schon eine Kleinigkeit. Deshalb hat wahrscheinlich „unser“ OB Mende auch in seiner „fundierten Information über das Für und Wider der Citybahn“ vergessen, solch unbedeutende Punkte zu erwähnen. Wird sich schon irgendwie regeln, versprochen.
Wenn dem Rheingau-Taunuskreis so viel an einem leichteren ÖPNV-Zugang nach Wiesbaden gelegen ist, könnte er ja auch mal selbst genug Geld in die Hand nehmen, um, beispielsweise, die Aartalstrecke für eine Regionalverbindung nach Wiesbaden (mit Anschluß an das gesamte Schienennetz im Rhein-Main-Gebiet) zu reaktivieren. Oder, Stichwort sozial-ökologische Verkehrswende, Geld in die Hand nehmen, um den eigenen ÖPNV-Verkehr zwischen Ortsteilen auch für Leute attraktiv zu machen, die nicht ihr ganzes Leben nach Fahrplänen ausrichten wollen. Ich sag ja nur. Wir Wiesbadener sollen lieber vor unserer eigenen Haustür kehren? Gerne. Tun wir gerade.
Oder – hey, Wiesbadener, seid nicht so kleinlich! In Corona-Zeiten mit vielleicht einer massiven Wirtschaftskrise im Gefolge gönnt man sich ja sonst nichts. Ein Alles oder nichts-Menschenexperiment im großen Stil für die „sozial-ökologische Verkehrswende“ (mit einer starren und unflexiblen Technologie, die vielleicht in zehn Jahren vollkommen obsolet ist)? Kein Problem. Und den Rheingau-Taunus-Kreis glücklich zu machen sollte doch all die kleinen Unannehmlichkeiten wert sein. Der würde sich bestimmt auch für die kleine Gefälligkeit erkenntlich zeigen. Eine Mülldeponie auf Bad Schwalbacher oder Taunussteiner Gebiet vielleicht, ein paar Windparks, eine Güterzugstrecke, oder warum nicht gleich CO2-neutrale Technologie im großen Stil, d.h. ein KKW (Greta läßt grüßen) oder wenigstens ein Zwischenlager für Kernbrennstoffe? Unter Nachbarn hilft man sich doch gegenseitig.
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