(27.10.20) Die aktuellen Staus in Wiesbaden – Kleiner Vorgeschmack auf den Citybahn-Bau, Drohung oder einfach nur Inkompetenz?
Seit einigen Wochen, an manchen Orten seit Monaten, lassen sich täglich massive zusätzliche Staus auf dem 1. Ring beobachten, die es früher so nicht gegeben hat. Es heißt ja, es muß nicht immer böser Wille im Spiel sein, wenn sich Dinge auch durch Inkompetenz erklären lassen – dennoch hier mal der Versuch einer genaueren Betrachtung.
Wohlgemerkt – ich bin kein direkter Verkehrsexperte. Wie man an Herrn Prof. Dr. Knie sieht, muß man das auch gar nicht sein, um sich in Verkehrsthemen einzumischen, Soziologe reicht da offenbar völlig. Da habe ich sicherlich etwas mehr zu bieten – zirka 45 Jahre Erfahrung als Autofahrer, als Physiker ein Auge für Strukturen und Zusammenhänge, und die berufliche Befassung mit Modellen und dynamischen Prozessen. Ich habe sogar schon selbst eine Verkehrsflußsimulation programmiert.
So wie es aussieht, ist der gemeinsame Nenner eine Ampelsteuerung, die für die aktuelle Verkehrsführung nicht optimiert bzw. sogar kontraproduktiv ist. Konkret sieht man das besonders „schön“ im Bereich der Kreuzung an der Ringkirche. An der Kreuzung Ring-Dotzheimer Straße verengt sich der Ring auf eine Fahrspur, und zwar ohne Vorankündigung. Weil auch die Kapazität der Straße An der Ringkirche reduziert ist, ergeben sich leicht Rückstaus in den Kreuzungsbereich Ring-Rheinstraße/An der Ringkirche, womit dann der gesamte Verkehrsfluß zusammenbricht. Natürlich trägt dazu auch das Einfahren in den Kreuzungsbereich bei, obwohl es „geradeaus“ nicht weitergeht, dies ist aber nur noch ein verstärkender Effekt, der zudem durch die insgesamt sehr unübersichtliche Situation provoziert wird. Aber auch auf dem Ring Richtung Hauptbahnhof produziert die derzeitige Ampelregelung Staus – leicht daran zu erkennen, daß weiter voraus liegende Abschnitte frei sind, es also kein allgemeines Kapazitätsproblem ist.
Die Eingangsfrage war ja – Inkompetenz, böser Wille oder Überforderung? Diskutieren wir mal die Motivationslage. Einerseits fänden es die Citybahn-Freunde sicherlich charmant, den Autofahrern nochmal richtig zu zeigen, wie schlimm der Verkehr ist. Andererseits ist für jeden, der Augen im Kopf hat, leicht erkennbar, wodurch diese Staus erzeugt werden. Vielleicht handelt es sich hier – wie auch im Fall der superschlauen Idee mit der suggestiven Fragestellung, schlicht um einen Fall von Arroganz, nach dem Motto, die Bürger werden es schon nicht merken.
Aber nehmen wir mal an, die Verantwortlichen sind einfach nur inkompetent oder überfordert. Dann sollte ihnen eigentlich trotzdem klar sein, daß diese zusätzlichen Staus durchaus als Vorgeschmack auf das gelten können, was nach dem Baubeginn der Citybahn auf die Stadt zukommt.
Gerade die Leute, die immer so sehr auf die Schädlichkeit von Verkehrsemissionen hinweisen, sollten doch eigentlich ein Interesse haben, daß die Belastung so gering wie möglich ist. Ich will hoffen, daß da niemand so zynisch ist wie der frühere Chef-Verkehrsplaner von Wien, der vor einiger Zeit in einem Interview offen zugegeben hat, jahrelang absichtlich für Staus gesorgt zu haben (wurde er eigentlich jemals wegen vorsätzlicher Körperverletzung angezeigt?).
Die Kfz-Zulassungszahlen in Wien sind übrigen von 2002 an kontinuierlich gestiegen.
Fassen wir zusammen: Auf Basis der aktuellen Indizienlage läßt sich weder böse Absicht, Inkompetenz noch Überforderung sicher ausschließen. Keine dieser Möglichkeiten ist eine gute Nachricht für Wiesbaden. Zeit, wieder Kompetenz ins Verkehrsdezernat zu bringen. Der erste Schritt: Nein zur Citybahn.